Dienstag, 9. Oktober 2012

Oh, Captain! Mein Captain!

Heute ist habe ich eine interessante Unterhaltung über einen ehemaligen Patienten unserer Station geführt. Die Schwester erzählte mir von folgender Begebenheit:

Der Patient wurde mit einem Polytrauma durch einen Unfall auf unsere Station nach der Not-OP gebracht. Für die ersten Tage lag er sediert, damit er keine Qualen und Schmerzen auszustehen hat.
Als er schließlich "geweckt" wurde, geschah merkwürdiges. Der Patient war stets gereizt, pflaumte sowohl Schwestern als auch Ärzte an, obwohl er von der Familie als ruhiger und friedlicher Mensch beschrieben wurde.
Nach knapp zwei Wochen normalisierte sich sein Verhalten. Als er darauf angesprochen wurde, warum er einen solchen Wesenswechsel an den Tag gelegt hat, erklärte er, dass er verwirrt war. Er befand sich seiner Wahrnehmung nach auf einem Schiff, in einer Kajüte, und jeden, welcher die blaue Kleidung der Station trug, hielt er für einen Matrosen dieses Schiffes, der ihm, dem Käpt'n schlechtes wollte. Bis er eines morgens im Krankenhaus "aufwachte"... obwohl er schon seit mindestens 2 Wochen nicht mehr sediert war.

Ist es nicht absolut faszinierend, was einem das Hirn vorgaukeln kann?
Ich sehe das als eine Art Schutzreflex, so schützt sich unser zentraler Verwalter wahrscheinlich vor dem Streß der Erholung, der vielen Menschen, der Folgen....
Es ist doch sehr oft so, dass sich Unfallopfer meist garnicht daran erinnern können, wie alles passiert ist. Ein beinahe Ertrunkener erinnert sich zwar wie er ins Wasser gegangen ist, dann jedoch erst wieder daran, als er im Krankenhaus aufwachte. Vielleicht kann man eben hier Parallelen ziehen?

Es lässt sich jedoch gleichzeitig die Überlegung aufstellen, ob das Gehirn nicht gerade durch Unfälle und Streß in eine Situation kommt, in der es Reize und Gedanken nicht mehr richtig weiterverarbeiten kann. Obwohl der Reiz der blauen Klamotten aufgenommen wurde, nahm das Hirn nicht wahr, dass es sich um Krankenhausklufft handelte, sondern sinnierte über ein Seefahreroutfit.

Kann man hier von einer Fehlinterpretation oder einem Schutzreflex unserer Birne reden?
Ich finde beide Überlegungen interessant. Zum einen kann man hier von eine Art Wach-Traum reden, der Körper schläft um sich zu erholen, das Hirn nimmt jedoch alles auf und verarbeitet es, leitet es weiter und gibt (Fehl-)Informationen zurück.
Oder es erholt sich von den Strapazen des Unfalls, und kann infolge desjenigen Informationen nicht mehr richtig interpretieren.
Es kommt im Grunde auf das Gleiche hinaus. Es dient unserem Schutz vor weiteren Streß um die Erholung zugewährleisten...

Vielleicht kann man auch Vergleiche mit Morbus Alzheimer oder Demenz ziehen?
Eine Art natürlich-reversible Form?

Oh, ein so spannendes Thema, die menschliche Psyche! Der Körper, der Kopf, einfach alles!

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